Das logistische System – Ein Bauplan. 1994
Das logistische System – Vortrag und Einleitung zum Bauplan des Arbeitsplatzes für einen Künstler – Juli 1994:
„Auf der Suche nach den maßgeblichen Bedingungen zur Schaffung von Kunst, stieß ich auf die Notwendigkeit eines nicht nur individuellen, sondern vor allen Dingen, allgemeingültigen Betriebssystems, welches zu schaffen sei. Nicht das System der Kunst konnte mich hierbei interessieren, sondern vielmehr die Klärung meines Selbstverständnisses und des damit verbundenen Betriebssystems zur langfristigen Schaffung von Kunst.
An mir selber eine protestantische Arbeitsethik feststellend, ergab sich auch eben dieser eines meiner Hauptprobleme: Wann fängt künstlerische Arbeit? Innerhalb welcher Regeln findet sie statt? Findet sie vielleicht fortwährend statt, hat man sich als künstlerisch Schaffender definiert? Bedarf sie zwangsläufig einer materiellen Produktion? Kann und sollte künstlerische Arbeit überhaupt definiert werden? Und warum überhaupt Arbeit?
Das Aushalten des scheinbaren Widerspruches zwischen künstlerischer Tätigkeit und marktwirtschaftlichen Produktivitätsgedanken, stellt für mich das größte Problem dar. Die Auseinandersetzung hiermit hat mich teilweise überfordert, und mir eindringlich verdeutlicht, wie groß der Unterschied zwischen Verstehen und Begreifen ist.
Mein erster Lösungsversuch bestand darin, mir einfach eine andere, eine freie Arbeitsweise zu oktroyieren, was zwar von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, von mir aber als eine gebräuchliche Form des Umgangs mit solcher Problematik beobachtet und leichtfertig übernommen wurde. Der Versuch den eigenen Prägungen zu entfliehen ist nichts als der Kampf gegen Windmühlen, der unter Umständen einen Lustgewinn, aber in keinem Falle eine langfristige Veränderung begünstigt. Seiner eigenen Lust, seiner eigenen Ethik den größtmöglichen Raum zu geben, sie zu übersteigen und über das lustvolle Erliegen das Begreifen in Gang zu setzen, ist die Möglichkeit, die ich als zweites gewählt habe.
Meine künstlerische Forschung findet in verschiedenen voneinander formal getrennten Bereichen statt. Jeder dieser Bereiche – zurzeit drei an der Zahl – hat seinen eigenen Sammelort – graue Karteikartons – und ist mit jeweils einem Symbol gekennzeichnet. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Motivstempels kennzeichne ich die einzelnen Blätter oder Gegenstände, die ich damit ihrem jeweiligen Bereich zuordne. Ich entwerfe ein klar abgegrenztes Archiv. Ich kann mir einen Vorgang herausnehmen, mich kurz über den Forschungsstand mittels Akteneinsicht informieren und an ihm arbeiten – oder auch nicht. Wichtig dabei ist die Möglichkeit parallel zu arbeiten, denn jeder Bereich steht für sich, kann also neben einem anderen entwickelt werden oder sich selbst entwickeln.
Da ich sowohl Angestellter, als aber auch Leiter meines kleinen Betriebes bin, kann ich meine Tätigkeit flexibel gestalten und Schwerpunkte selber setzen. Dies ermöglicht nicht nur eine gute Arbeitsatmosphäre, auch die Bereitschaft Verantwortung für meine Arbeit zu übernehmen ist groß. Ich schaffe zwischen mir eine enge Verbindung.
Die freie Zeiteinteilung eröffnet mir Freiräume, die im selben Moment von der selbst auferlegten Verantwortung eingeschränkt werden. Hatte ich in meinem alten Berufsleben, das stete Bestreben festgesetzte Arbeitszeiten zu verkürzen, um meine Freiheit nutzen zu können, so habe ich in meinem neuen Betrieb das fortwährende Gefühl des zuwenig.
Die moderne Führung meines Betriebes beschenkt mich mit einer großen Freiheit in dem Wissen, dass das Resultat ein aufopferndes Engagement sein wird. Die Freiheit wird zur reinen Vorbereitungszeit – ohne Pause gebe ich mich mir und meinem Beruf hin.
Mein Arbeitgeber ist mein Partner, mein Partner ist die Kunst – ihr habe ich mich verpflichtet und sie teilt mir meine Aufgaben zu. Ich möchte ihr gefallen und als ihr Gegenüber bin ich sowohl verantwortlich, als auch völlig unabhängig – unsere Beziehung ist modern. Da sie mir fortwährende Unabhängigkeit zusichert, bin ich ihr umso mehr verfallen.
Um meine Treue, meine Arbeitsleistung objektiv zu kontrollieren, benutze ich eine Stempeluhr. Ich dokumentiere meine Anwesenheit. Jederzeit bin ich so in der Lage meiner mir und meiner Arbeitgeberin Rechenschaft abzulegen. Die zuerkannte Freiheit trieb mich zu der Unterordnung unter einen Zwang, der das in mich gesetzte Vertrauen rechtzufertigen versucht. Ich will beweisen, dass ich mit der Freiheit umgehen kann, ich bin ein moderner Mensch.
Ich zeige meinen Betrieb, in den Zeichnungen zeige ich meinen Betrieb, zeige mein Tätigsein, zeige dass ich ein logistisches System besitze, welches geeignet ist mich produktiv zu machen. Ich versuche das Vertrauen in mich zu stärken und mich als kompetenter Partner vorzustellen in dem ich Rechenschaft ablege: Ein logistisches System. Danke.
So gehalten an der Hochschule für bildende Kunst Braunschweig, 1994.
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